RÉSUMÉ EINER REISE
- Alexander Kästel
- 20. Apr.
- 3 Min. Lesezeit
Résumé einer Reise klingt wie ein Nachgeschmack auf das neueste Thermomix-Rezept, das noch zwei, drei Stunden nach dem Mahl auf der Zunge Fetzen an Erinnerungen schmecken lässt.
Eine Reise:
Es war meine erste große und lange Reise. Mein voriges Reiseleben kann man mit wenigen Tagen und mit einigen schönen Momenten zusammenfassen.
Ich verreise nicht gern. Dennoch tat ich es: Zusammen mit meinen Eltern. Was mir in meiner jetzigen Lebensphase wichtig war, wichtig ist.
Monate vor der Abfahrt war ich schon aufgeregt. Den ersten Reisepass meines Lebens, zum zweiten Mal den - ich dachte immer viel zu großen - roten Samsonite aus dem Keller gewuchtet. Mich hier und da bei Freund*innen und Kund*innen fast schon leise versucht, aus dem Leben zu stehlen. Hinzuarbeiten auf fast zwei Monate Totalausfall.
Ausgefallen bin ich dann auch. Ich musste mir liebe und vertraute Momente bei der Vesperkirche versagen, Aufträge ablehnen und versuchen - so wie letztendlich doch alles und vielleicht ein bisschen zu viel in den roten Koffer passte - hier alles ruhen zu lassen, ein wenig zurückgelassen. So ist das immer für mich, wenn ich im Zug sitze und Mannheim sich mir von einer Seite zeigt, die ich wunderschön und zugleich als sehr traurig empfinde.
Mannheim ist mir mehr als ein Wohnort. Mannheim ist mein Lebensort. Ich brauche keinen zweiten oder dritten und erst recht brauche ich keine Pause und keinen Urlaub von einem Ort, der alles hat. Jedes Weggehen ist immer auch ein Verlassen, eine Trennung und ein Verlust. Und es sind nicht nur lieb gewonnene Routinen, die sind es auch, aber sie wandeln sich mehr und mehr in ein Ein- und Ausatmen hin.
Mein Atem stockt mit der Überfahrt im ICE vom Hauptbahnhof über die Neckarbrücke in Richtung Frankfurt für mindestens eine Minute. Sagen wir 30 Sekunden. Kürzer auf keinen Fall.
So viel von mir und meiner sagenhaften Sesshaftigkeit :)
Zu meiner Reise wollte ich ja kommen.
Was soll ich sagen?
Ich wurde seit meiner Rückkehr, die ich als sehr zerrissen empfand, immer wieder nach der Reise und nach Bildern gefragt. Meine Antworten glichen sich fast immer mit: Ich bin erschüttert.
Fast schon spannender als meine eigene Antwort zu hinterfragen, waren die Reaktionen in den Gesichtern und die unmittelbaren Äußerungen. Von einem tiefen Mitgefühl und Verständnis meiner Erschütterung bis hin zu verbesserten Wellness- und Erholungsvorschlägen war so ziemlich alles dabei.
Ich bin erschüttert, demütig und gedemütigt. Mir wurde sehr deutlich gezeigt, dass wir hier in einer Region der Welt leben, in einer Zeit, in einem Fortschritt und Wohlstand, in einem unbeschreiblichen Überfluss. Bis hin zu einem umsichgreifenden Hedonismus, der an Verachtung der restweltlichen Wirklichkeit kaum zu übertreffen ist.
Das ist ein hartes Résumé einer Reise. Ich weiß sehr wohl, dass wir auch hier schlimme Armut haben, große Nöte, institutionelle -ismen. Nicht alle profitieren gleichermaßen. Nur ein zwei marginalisierende Zuschreibungen bedeuten nicht selten, nicht teilzuhaben, nicht gleich behandelt zu werden. Sich nicht in dem Maße wohlfühlen, wie andere das als selbstverständlich, fast unbemerkt hinnehmen können.
Wo hört gut gehen auf und wo beginnt es, sich das schlecht gehen anderer ausblenden zu können, anzugewöhnen?

BILDNUMMER: FUJI3785 | ORT: Bridgetown Barbados
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