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MANNHEIM - MARSEILLE MIT DEM TGV

MARSEILLE IN INFRAROT

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»JEDER MENSCH VON KULTUR HAT ZWEI VATERLÄNDER:
DAS SEINE - UND FRANKREICH
«
- Thomas Jefferson -

VON MANNHEIM NACH MARSEILLE

EIN KATZENSPRUNG

Dank der TGV-Direktverbindung ist es von Mannheim nach Marseille nur ein Katzensprung. Alexander Kästel hat die Stadt mit seiner Infrarotkamera erkundet. Seine Schwarz-Weiß-Fotos zeigen den rauen Charme der südfranzösischen Metropole.

Ende September 2022:
Spätsommerliche erste Herbstboten fuhren schon durch die engen Quadrate der Stadt. Lange schon geplant, die kurze Flucht in den Süden. Ich vereise nicht gern. Ausschlaggebend für den Trip war die Möglichkeit hier am Mannheimer Hauptbahnhof in den TGV einzusteigen und in nur 7 Stunden rasantem Ritt am Gare de Marseille-Saint-Charles anzukommen, wo sich nach wenigen Schritten durch die Hallen, eine neue Welt - wie ein neues Buch - sich öffnet.



Ich vereise nicht gern, das sagte ich bereits. Doch bei meinem ersten Foto von diesem ersten Eindruck, lieh sich Marseille mein Herz für 7 Tage und Nächte in Mannheim aus – mit der Bedingung – es angefüllt und wie übergeben zurückzubringen.



Dafür sorgte unter anderem meine Begleitung. Wir waren schon ein Dreamteam: Die nicht mehr ganz Neu-Mannheimerin und begnadete Fotografin Angelika Noack.



Gemeinsam erkundeten wir Marseille, worüber ich schon vieles gehört habe. Viele haben mit warnenden Stimmen versucht mich zu ermahnen – ich solle aufpassen. Auf meine Kamera - Herr Gott dacht ich: Und wollt das alles weder glauben noch wissen. Ich mache mir immer mein eigenes Bild – traue meinen Augen.



Beim Thema Südfrankreich hatte ich immer nur St. Tropez im Kopf – Louis de Funès prägte in frühester Kindheit meine Vorstellungen, wie es denn da sei. Naja, was soll ich nun schreiben? So wars auf jeden Fall nicht. Es war auch nicht wie Nizza oder Cannes – nicht, dass ich schon mal da gewesen wäre. Sie merken schon, ich vereise nicht so gern.



Marseille wirkt unvermittelt und nahbar, ein bisschen wie Mannheim dacht ich laut, vielleicht ist das das Heimweh, welches bei mir immer sofort einsetzt. Tapfer schritten wir über große Plätze und breite Straßen, um den Hafen, durch enge Gassen, über Strände, querten Berge aus Beton, hin zu einer Aussicht hoch über der Stadt, bis weit weit übers Meer. Die Augen öffneten sich wie mein Herz breit aus über diesen Anblick. Ich leide fast ein wenig daran, wenn mir etwas zu gut gefällt – daran es festhalten zu wollen – so wie ich es fühle im Bild festzuhalten. Daran arbeite ich jeden Tag, jede Stunde. Bis zu einer Vollendung hin, die, wenn ich ehrlich sein darf, hoffentlich nie eintrifft. Denn die „Fehler“ die ich auf dem Weg dahin begehe, sind Lohn der harten Arbeit.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Es dämmerte langsam, wir wollten zurück an den Hafen und uns um unser Abendessen kümmern. Niemals gehe ich denselben Weg zurück – es muss immer ein neuer sein. Ohne Handy und ohne Navigation – ja selbst mit - kaum in der Lage zu wissen wie wir zurückkommen sollten, fragten wir einen Mann, der mit seinem Sohn - wohl auch gerade Feierabend hatte und sich auf einen ruhigen Abend zu Hause freute - nach dem Weg. Mit englisch kamen wir schon mal nicht weiter. Mein Französisch ist selbst nach 3 Jahren Schule im Grunde nicht vorhanden. Zum Glück hatte ich Angelika – und nicht nur der Sprachkenntnisse wegen dabei.

 

Wir machten den beiden klar, dass wir auf dem Berg waren, und da unten – weit weg – vom Strand kamen, da wo das Riesenrad steht. Diesen Weg mussten wir nun wiederfinden, inmitten eines riesigen Wohngebiets. Er sagte wir müssen wieder hoch – den Berg wieder hoch. „Wieder hoch?“ blickte ich fragend Angelika an. Schnell waren wir uns ohne ein Wort zu sagen einig – wir gehen da nicht wieder hoch. Niemals denselben Weg nochmal gehen ist meine Devise und nach über 20km Fußmarsch an dem Tag Bergauf Bergab, auf keinen Fall noch einen Schritt zu viel, zu anstrengend. Aus der Geschichte kamen wir nun nicht mehr raus. Wir haben den Mann und seinen Sohn schon gefühlt 10 Minuten um den Weg gebeten und sie gaben beide alles, um uns das klar zu machen wo wir hinmüssen. Wir wollten nicht – wollten aber höflich sein und beschlossen, nur so zu tun als ob, als ob wir auf den Berg zurück gehen würden, würden uns aber verstecken und warten, bis beide im Hauseingang verschwunden wären. Gesagt getan. Wir gingen los, sie verschwanden im Haus und wir versteckten uns wie Schulkinder hinter einem Tor.

 



Wir wollten schon klammheimlich und schnell an dem Hauseingang vorbei, die Straße runter zum rettenden Strand, als die beiden auf einmal zurück zu uns kamen, nichts mehr sagten, uns förmlich an die Hand nahmen, diesen ganzen Berg hochbrachten. Über die Ampel – an die Bushaltestelle – wo wir dann saßen wie Zwei, die gerade etwas ausgefressen haben, ganz brav und ein wenig beschämt.

Es stellte sich heraus - zum Stand hin wären wir wortwörtlich gestrandet. Von da unten fährt um die Zeit kein Bus mehr in die Innenstadt. Wir mussten einen anderen Weg und dann die Metro nehmen. Wir kamen spät – aber sicher in der Innenstadt an, um in unserem Notfall-Restaurant neben der Oper endlich das Abendessen zu genießen und mit einem Wein auf dieses Erlebnis anzustoßen.

Voller Freude schaue ich noch heute auf diesen Moment zurück. Mit wie viel Mühe die beiden uns auf den richtigen Weg brachten, dass sie nicht enttäuscht waren, weil wir nicht wirklich auf den ersten Rat gehört haben. Es fühlte sich ein wenig an, als wären wir die gute Tat an diesem Tag für die beiden gewesen. Es fühlte sich so gut an, soviel Gastfreundschaft zu erfahren. Leider war es schon zu dunkel, sonst hätte ich zu gern ein Foto gemacht.

Die Kamera die ich dabei hatte, benötigt sehr viel Licht. Am besten Sonnenlicht. In der Dämmerung oder im Schatten kann sie schon nichts mehr abbilden. Aus dem Grund sind die Bilder auch alle in Schwarz/Weiß, da es eine Infrarotkamera ist – deren Negative purpurrot strahlen - die den Aufnahmen nach der Entwicklung einen besonderen Charme vermitteln. Die Entscheidung auf nur eine Kamera und dann auch noch auf die Infrarot, ich habe Wochen zuvor gezittert und gebangt – war mir dann aber am Tag der Abreise felsenfest sicher. Naja fast – ganz sicher war ich am ersten Tag. Marseille in Infrarot war für mich die beste Entscheidung. 

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Bevor es losgeht, hier zwei Beispiele was es mit dem Infrarot und Schwarz/Weiß auf sich hat. Es gibt auch farbige Infrarotaufnahmen. Das erste, ein eher seltene Ansicht, Infrarot bei Nacht mit einer Langzeitbelichtung.

Links: Das RAW (auf deutsch roh), das von der Kamera gemachte Foto.

Rechts: Das entwickelte "Farbbild".

Bildschirm­foto 2023-03-10 um 16.26.40.jpg

Jetzt wird der Unterschied deutlicher:
Links wieder das RAW. Und rechts das entwickelte Foto in Schwarz/Weiß.

Bildschirm­foto 2023-03-10 um 16.28.04.jpg

UND NUN: Viel Freude mit den nachfolgenden Aufnahmen
Alexander Kästel

»LAST - BUT NOT LEAST«
- Es folgt ein noch tieferer Einblick -

Ich weiß, die Finger tun vom durch scrollen schon weh, die Augen schon angefüllt und durch das Schwarz/Weiß angestrengter als sonst. Es folgt eine zweite Sicht, ein tieferer Einblick mit ungefähr noch einmal so vielen Bildern wie im ersten Teil.

Es sind nicht die Bilder, die wir zeigen, die uns einen Einblick verschaffen, sondern die: die wir nicht zeigen. Das Weglassen, die Auswahl, die Kuration erst, formt das, was im besten Fall die Person die es aufgenommen und zeigen will fühlte.

Ich mache Ihnen hier nicht nur meine Sicht auf Marseille deutlich, sondern auch alles, was ich bis heute in meinem Leben erfahren, erträumt, gehört, gewünscht oder ersehnt habe. Eine schwarzweiße Brille die reduziert, zugleich einem scharfen Auge, dem bewusst die kleinen und großen Dinge auffallen und ein zweites Auge, welches priorisiert und den Fokus bestimmt.

 

Die nachfolgende Galerie umfasst 72 Aufnahmen

Marseill II