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Alexander Kästel

Gedichte aus der Ukraine:

Flammen, Stimmen, Hoffnung: Wenn die Lyrik zu sprechen anfängt, zählt jedes Wort.

Wo immer sehr viel genommen wird,

da wird auch etwas gegeben.

Etwas wird auch gegeben, und sei es das jähe Erleben von Abschied. Wie anders könntest du lernen, wie es ist, wenn der Faden reißt, und das erschütterte Herz

aussetzt inmitten der Zeit?

Schmerz.

 

Schmerz und Hoffnung lassen dich diese Welt wieder spüren. Sie lassen

dein geronnenes Sein wieder leben und geben ihm Sinn.

Ein Schmerz und eine Hoffnung, wie du sie dir nie hättest träumen lassen,

über die man nicht sprach am häuslichen Esstisch.

 

Wie anders könntest du die Stimme des Waldes hören,

vom Feuer verängstigt, wer sonst könnte dir

deine Sicht justieren, sie stimmen

wie einen Flügel, damit das Auge nicht fehlt,

wenn sie übers Feld schnürt,

die Zwielichtbestie?

 

Und hast du schon durchgehalten, ihn durchgestanden,

den irren Balanceakt über den Winter,

Ängste anhäufend wie Bücher

aus einer gut sortierten Bibliothek,

wie kannst du dann jetzt die Schwere

des Zufalls beklagen, der dich

in den kalten Wind der Geschichte stieß?

 

Wage es nicht,

wage es nicht, da zu klagen,

wo die geschundene Landschaft die Zähne zusammenbeißt

wo Zornverbrannte

und Lichtgerahmte

und Mondlichtzersiebte nicht weinen.

 

Schmerz und Hoffnung vereinen uns zwischen

den Abgründen in einem dunklen Himmel.

Schmerz und Hoffnung, wie die Lungenflügel einer Ertrinkenden,

aus denen man das grüne Wasser des Tümpels presst

und so das Leben zurückholt.

Schmerz und Hoffnung, wie ein Haus,

wiedererrichtet nach einem Brand.

Nur mitten in diesem Bruch, wenn das Vergangene entschwindet

wie ein Ufer im Dämmer, nur mitten im großen

Leid

gibt sich die Liebe zu dem zu kosten,

was dich diesem Frühling

gemäß sein ließ, so einleuchtend, eindeutig,

gestellt gegen die Sonne,

erhellt im Wind.

 

Ich sah in den Waggons übernächtigte Frauen nach der unmerklichen Stimme greifen,

als leitete sie wie ein Faden hinaus in den Gang.

Ich sah die Flamme der Kraft über den Männern verlöschen,

Kinder ins Dunkel wie zur Mutter sinken. Und die Hunde verstummen,

als die Sonne untergeht hinter der Stadt.

 

Doch dieser Sommer wird kommen,

mit der Herrlichkeit des verbrannten Flusses

und den Kerlen auf dem asphaltierten Bolzplatz,

die wie die Buchstaben der Verfassung die Ebenbürtigkeit derer von den Grenzen bezeugen,

die Ebenbürtigkeit und Lauterkeit von Menschen, die von klein auf

gewöhnt sind, sich am groben Asphalt der Höfe die Haut aufzuschürfen,

gewöhnt sind an Schmerz und Hoffnung,

und in die hellen Wunden in ihrem Fleisch

geronnene Julisonne einnähen.

 

Der Sommer wird kommen,

lass dann die Züge, die zurückkehren in die Stadt

wie die Fischer,

nicht heimkehren ohne Fang,

lass sie in andere Städte unsere Hoffnung tragen

die bitter ist wie der Rauch

wie das Schreiben

bitter ... - Serhij Zhadan - 05. Juli 2022

Eine verwackelt anmutende Aufnahme einer Einkaufsstraße in Mannheim. Im Vordergrund eine große Uhr, dahinter Geschäfte mit bunten Schaufenstern. Personen, die nur schwer zu erkennen sind. Es sind 9 Aufnahmen übereinander und gestochen scharf. Die Unschärfe entsteht nur in unserem Kopf.

BILDNUMMER: 23069682

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