Flammen, Stimmen, Hoffnung: Wenn die Lyrik zu sprechen anfängt, zählt jedes Wort.
Wo immer sehr viel genommen wird,
da wird auch etwas gegeben.
Etwas wird auch gegeben, und sei es das jähe Erleben von Abschied. Wie anders könntest du lernen, wie es ist, wenn der Faden reißt, und das erschütterte Herz
aussetzt inmitten der Zeit?
Schmerz.
Schmerz und Hoffnung lassen dich diese Welt wieder spüren. Sie lassen
dein geronnenes Sein wieder leben und geben ihm Sinn.
Ein Schmerz und eine Hoffnung, wie du sie dir nie hättest träumen lassen,
über die man nicht sprach am häuslichen Esstisch.
Wie anders könntest du die Stimme des Waldes hören,
vom Feuer verängstigt, wer sonst könnte dir
deine Sicht justieren, sie stimmen
wie einen Flügel, damit das Auge nicht fehlt,
wenn sie übers Feld schnürt,
die Zwielichtbestie?
Und hast du schon durchgehalten, ihn durchgestanden,
den irren Balanceakt über den Winter,
Ängste anhäufend wie Bücher
aus einer gut sortierten Bibliothek,
wie kannst du dann jetzt die Schwere
des Zufalls beklagen, der dich
in den kalten Wind der Geschichte stieß?
Wage es nicht,
wage es nicht, da zu klagen,
wo die geschundene Landschaft die Zähne zusammenbeißt
wo Zornverbrannte
und Lichtgerahmte
und Mondlichtzersiebte nicht weinen.
Schmerz und Hoffnung vereinen uns zwischen
den Abgründen in einem dunklen Himmel.
Schmerz und Hoffnung, wie die Lungenflügel einer Ertrinkenden,
aus denen man das grüne Wasser des Tümpels presst
und so das Leben zurückholt.
Schmerz und Hoffnung, wie ein Haus,
wiedererrichtet nach einem Brand.
Nur mitten in diesem Bruch, wenn das Vergangene entschwindet
wie ein Ufer im Dämmer, nur mitten im großen
Leid
gibt sich die Liebe zu dem zu kosten,
was dich diesem Frühling
gemäß sein ließ, so einleuchtend, eindeutig,
gestellt gegen die Sonne,
erhellt im Wind.
Ich sah in den Waggons übernächtigte Frauen nach der unmerklichen Stimme greifen,
als leitete sie wie ein Faden hinaus in den Gang.
Ich sah die Flamme der Kraft über den Männern verlöschen,
Kinder ins Dunkel wie zur Mutter sinken. Und die Hunde verstummen,
als die Sonne untergeht hinter der Stadt.
Doch dieser Sommer wird kommen,
mit der Herrlichkeit des verbrannten Flusses
und den Kerlen auf dem asphaltierten Bolzplatz,
die wie die Buchstaben der Verfassung die Ebenbürtigkeit derer von den Grenzen bezeugen,
die Ebenbürtigkeit und Lauterkeit von Menschen, die von klein auf
gewöhnt sind, sich am groben Asphalt der Höfe die Haut aufzuschürfen,
gewöhnt sind an Schmerz und Hoffnung,
und in die hellen Wunden in ihrem Fleisch
geronnene Julisonne einnähen.
Der Sommer wird kommen,
lass dann die Züge, die zurückkehren in die Stadt
wie die Fischer,
nicht heimkehren ohne Fang,
lass sie in andere Städte unsere Hoffnung tragen
die bitter ist wie der Rauch
wie das Schreiben
bitter ... - Serhij Zhadan - 05. Juli 2022
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