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ES WAR WIE EIN AUFZIEHENDER STURM

Alexander Kästel

Mein zweiter Teil, zu den Demonstrationen am vergangenen Freitag in Mannheim. Der sich nun mehr um den Infostand der Deutsch-Israelischen Gesellschaft am Paradeplatz Mannheim dreht, der der unmittelbaren Wucht der pro-palästinensischen Demonstration ausgesetzt war.



Vier Tage nach den erneuten und erschreckenden Erfahrungen auf der pro-palästinensischen Demonstration und der Arbeit - beziehungsweise - der Arbeitsverweigerung der Polizei in Mannheim. Ich bin immer noch sehr betroffen und das Ganze wirkt immer noch stark in mir nach. So sehr, dass die letzten vier Tage kein normaler Alltag für mich möglich war. Ich weiß, das wird auch wieder vorbeigehen. Ich kenne diese Gefühle nach solchen Einsätzen gut und habe in den vielen Jahren, die ich das schon mache, gelernt, halbwegs gesund damit umzugehen. Es dauert nur länger und die Bedrohungen, auch die nach der Demo, halten an.

 

Das ist nun schon der dritte Vorfall mit der Polizei in Folge, wo ich unnötig ins Kreuzfeuer gerate und viel mehr Aufmerksamkeit erwecke, als für alle Beteiligten gut ist, nur weil ich auf Pressefreiheit poche und auch drauf baue, dass dieses Recht geschützt wird.

In einem anderen Fall auf einer anderen Demonstration, bemerkte ich eine Person mit einem Symbol auf dem Shirt. Ich kannte es, definitiv aus dem rechtsradikalen Raum. Ich sprach sofort Beamt*innen an. Erklärte was ich sah und bat, dass sie dem nachgehen. Ich wurde 3-mal weggeschickt, ich solle auf die Wache gehen und da eine Anzeige machen. Sie waren beschäftigt, was weder zu dem Zeitpunkt die Einsatzlage beschrieb, noch das beisammen stehen und – ich nenne es mal – schnattern, rechtfertigte. Ich zog mein Handy, gab in die - hervorragend Suchmaschine ecosia - die Suchbegriffe ein, die ich über das Symbol wusste, dazu das Wort „Verfassungsfeindlich“. Und wer hätte es gedacht: Natürlich war das Zeichen auf dem Shirt in der Liste der Verfassungsfeindlichen Symbole aufgelistet. Mit diesem Wikipedia-Eintrag in der Hand, ging ich ein viertes Mal auf die Beamt*innen zu, die dann auch handelten. Zwischenzeitlich wurde ich aber behelligt und wieder galt mir dann eine Aufmerksamkeit, die absolut unnötig und gefährlich ist. Eine Situation, die vermeidbar gewesen wäre, wenn die Polizei nicht 4 bis 10 Anläufe braucht, um Recht umzusetzen. Das Ziel kann und darf nicht sein, wie es andere Kolleg*innen mir auch sagen, dass sie sich das nicht mehr antun wollen. Dass sie als Pressevertreter*innen nicht mehr an dem Geschehen teilnehmen und ihren unmittelbaren Eindrücke über das Geschehene mitteilen. Das ist ein generelles und gewaltiges Problem, welches von vielen Gruppen, die, und davon bin ich überzeugt, das genauso kalkulieren.

Es ist zu hinterfragen, ob und weshalb die Polizei die Existenz und die Funktionsweisen diverser Szenen und deren Strategien nicht bewusst sind.

Ich musste wegen des Platzverweises. den Marktplatz verlassen, ohne meine Arbeit da beenden zu können. Deshalb konnte ich aber noch etwas von gleichzeitig laufenden Demonstration der Deutsch -Israelischen Gesellschaft am Paradeplatz mitbekommen.







Nach kurzen Redebeiträgen - ein Gesang

Es klang sehr schön. Kraftvoll, irgendwie traurig und zuversichtlich zugleich. Wahrscheinlich ein Gebet. Es war ein bisschen, als wäre Frieden in dem Moment an diesem Ort. Auch wenn es für mich als Mensch ohne religiöse Prägung ein wenig seltsam klingt, war der Frieden in dem Moment auch in mir zu spüren. Die Menschen standen zusammen, die Blicke waren sanft und zum Teil nach unten gerichtet. Doch es war nur die Ruhe vor dem Sturm. Die pro-palästinensische Demonstration zog vom Marktplatz auf der Breiten Straße in Richtung Paradeplatz. Hier eben noch der Gesang und diese anmutende Stille. Am Horizont schon, der keine 100 Meter entfernt war, zog ein Grollen auf.



Viele Blicke erhoben sich nun und schauten in Richtung Breite Straße. Die Sonne blendete - dann war nur noch dieser Lärm zu hören. Zu sehen war nicht viel, bis auf die palästinensischen Flaggen, die gelben Ortsschilder die zwischen den Einsatzfahrzeugen der Polizei in der Sonne strahlten. Der Gesang verstummte. Es war wie ein Aushalten in einer kleinen Gemeinschaft. Ich empfand das beachtenswert mutig und gleichzeitig sehr bedrohlich.




Ich möchte an der Stelle mal klarstellen: Dass alle das Recht haben, die in Deutschland eine Demonstration anmelden, dieses Recht auch wahrnehmen sollen und die Demonstration friedlich durchführen können. Mit allen Rechten und mit allen Pflichten.


Es darf aber nicht sein, dass Demonstrationen zu Machtdarstellungen werden und andere einschüchtern oder massive Ängste verbreiten.

Alle sollen und dürfen auch laut und sichtbar sein. Aber es macht einen großen Unterschied, für die eigenen Rechte einzutreten und diese einzufordern, oder anderen die Rechte abzusprechen und denen gegenüber mit Hass und Gewalt zu begegnen.




Nachdem die Demo am Paradeplatz über die Kunststraße abgezogen war, kehrte kurz Ruhe ein. Die Teilnehmer*innen der Deutsch-Israelischen Gesellschaft wurden darauf aufmerksam gemacht, jetzt und wenn möglich nicht allein, nach Hause zu gehen um dieses kurze Zeitfenster zu nutzen, bis die Demonstration über den Wasserturm, auf den Planken, ein zweites Mal hier vorbeiziehen wird.



Leider war es wieder nötig und gehört wohl schon zum Standard, dass der Glaskubus, das Mahnmal für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus, von Beamt*innen geschützt werden musste.

Das betrübt mich sehr. Eine kleine Gruppe von höchstens 20 Personen blieb am Paradeplatz zurück. Sie standen zusammen hinter der Polizeiabsperrung. Einige hielten sich einander fest, andere trugen eine israelische Flagge und stellten sich, stoisch,  gegen diese laute Masse.






Aus der Menge heraus grollten nun, noch lauter als zuvor, alle möglichen Rufe. Mittelfinger wurden gezeigt, es wurde lauthals gebrüllt.



Aus meiner Sicht wurde ein verfassungswidriges Symbol präsentiert. Die sogenannten „Pfeilkreuze“, eingearbeitet in einen symbolischen Schlüssel.


„Die Pfeilkreuzler (ungarisch: nyilasok) oder Hungaristen (hungaristák) waren die Anhänger einer unter verschiedenen Bezeichnungen von 1935 bis 1945 bestehenden faschistischen und antisemitischen Partei in Ungarn. Bekannt wurde es durch die ungarischen Faschisten, die es als ihr Symbol verwendeten. Sie nannten sich der Kreuzform wegen Pfeilkreuzler. Die Verwendung des Symbol wurde demnach in Ungarn durch ein Verbot von Symbolen verschiedener diktatorischer Regime beschränkt.“          

Quelle: Wikipedia


Es flogen zwei 0,5 Liter Dosen, gefüllt mit einer Flüssigkeit.  Ob es nur Energy-Getränk war, oder etwas anderes, kann ich nicht beurteilen. Als Wurfgeschosse, die über die Polizeiabsperrung hinweg geworfen wurden, waren sie schon gefährlich genug. Dabei beobachtet oder gar gefasst, wurde meines Wissens niemand. Zu Schaden kam, meines Wissens und zum Glück auch niemand. Ergänzung: Der mutmaßliche Dosenwerfer, wurde dann doch noch von Beamt*innen festgestellt. Ob er mit den Wurf der Dosen in Zusammenhang gebracht wurde, oder nochmal auffiel, kann ich nicht sagen.



Zur Beweissicherung der geworfenen vollen Dosen


Naja – das ist sicher ausbaufähig. Im Krimi machen die das immer ganz anders. Mit Handschuhen und Tüten, oft mit nem Bleistift oder Kuli zu sehen. Ich vermute, der Fingerabdrücke wegen. Aber hey, ich bin kein Profi und will auch keiner Person erzählen, wie man diesen Job richtig macht.




Die Tage darauf:

Neben einigen Anfragen auf Instagram, von Teilnehmenden der pro-palästinensischen Demo, Bilder wegen angeblicher Rechteverletzung des Kunsturheberrechts zu löschen, obwohl ich damit keine Rechte verletze und mich innerhalb des Presserechts bewege, gab es zahlreiche, motivierende und danksagende Reaktionen. Es gab Kleinspenden von lieben Leuten, die somit beitragen meine Arbeit zu unterstützen und mir dabei helfen, sie weiter zu betreiben. Vielen Dank dafür. <3



UND:

Vorgestern kam eine Frau einfach so auf mich zu, auf englisch fragte sie mich: „Do you understand English?“ – Ich nickte und antwortete gekonnt: „Yes I do“ - Innerlich dachte ich mir, was jetzt wohl kommt? Sie fragte: „Weren't you the photographer at the Israeli demonstration on Paradeplatz?“ Ich nickte abermals, immer noch ein wenig skeptisch. Daraufhin nahm sie meine Hand und bedankte sich bei mir, für meinen Einsatz und meinen Mut, weil ich ihr beistand. Mit einem Lächeln ging sie.



Das ist nicht der Grund, warum ich das tu. Aber das ist der Grund, warum ich es nicht lassen kann.

Da es Menschen gibt, für die es wichtig ist gesehen zu werden. Eben weil es so wichtig ist für mich hinzusehen. Bei so vielen Themen. Wenn wir beginnen uns nicht mehr für uns als Gemeinschaft und Andere zu interessieren, nur noch die nächsten Urlaube planen und den eigenen Lifestyle feiern, wenn wir nur noch bis zum Tellerrand blicken, Insta und anderes UnSocialMedia mit Schrott füllen, wenn wir beginnen im Konsum zu versinken, nach unten, statt nach oben treten, wenn viele von uns, zu ihrem individuellen Mittelpunkt des Universums werden, sich ausklinken von der Gesellschaft, dann erinnert euch bitte daran, dass eine fremde Person sich einfach bei mir bedankt, nur weil ich da war und ihr zur Seite stand, nur weil ich hinsah und das eben nicht lassen kann.


Seid auch da, bleibt solidarisch, bleibt menschlich – so gut ihr könnt, sooft ihr könnt, solange es nötig ist und darüber hinaus.

In diesem Sinne.

Alles Gute und vielen Dank für deine Aufmerksamkeit.

DEIN SUPPORT HILFT MIR:

Du kannst meine ehrenamtliche Arbeit mit Kleinspenden unterstützen, wenn du dir das leisten kannst. Dies hilft mir sehr, meine Ausgaben und Risiken zu mindern und trägt dazu bei, dass ich auch weiterhin mit meinem eigenen Blick, auf die Geschehen dieser Stadt schaue.

Danke.

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