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Alexander Kästel

DAS PHÄNOMEN

Was ist das für ein Phänomen / Fast kaum zu hören kaum zu sehn

Ganz früh schon fängt es in uns an / Das ist das Raffinierte dran

Als Kind hat man\'s noch nicht gefühlt / Hat noch mit allen schön gespielt

Das Dreirad hat man sich geteilt / Und niemand hat deshalb geheult

Doch dann hieß es von oben her / Mit dem da spielst du jetzt nicht mehr

Das möcht ich nicht noch einmal sehn / Was ist das für ein Phänomen


Und ist man größer macht man\'s auch / Das scheint ein alter Menschenbrauch

Nur weil ein andrer anders spricht / Und hat ein anderes Gesicht

Und wenn man\'s noch so harmlos meint / Das ist das Anfangsbild vom Feind

Er passt mir nicht er liegt mir nicht / Das ist das nicht und find ihn schlicht


Geschmacklos und hat keinen Grips / Und ausserdem sein bunter Schlips

Dann setzt sich in Bewegung leis / Der Hochmut und der Teufelskreis

Und sagt man was dagegen mal / Dann heisst\'s: Wer ist denn hier normal

Ich oder er du oder ich / Ich find den Typen widerlich


Und wenn du einen Penner siehst / Der sich sein Brot vom Dreck aufliest

Dann sagt ein Mann zu seiner Frau / Guck dir den Schmierfink an die Sau

Verwahrlost bis zum dorthinaus / Ja früher warf man die gleich raus

Und heute muss ich sie ernähr\'n / Und unsereins darf sich nicht wehr\'n


Und auch die Gastarbeiterpest / Der letzte Rest vom Menschenrest

Die sollt man alle das tät gut / Spießruten laufen lassen bis auf\'s Blut

Das hamwer doch schon mal gehört / Da hat man die gleich streng verhört

Verfolgt gehetzt und für und für / Ins Lager reingepfercht und hier


Hat man sie dann erschlagen all / Die Kinder mal auf jeden Fall

Die hatten keinem was getan / Was ist das für ein Größenwahn

Das lodert auf im Handumdrehn / Und ist auf einmal Weltgeschehn

Denn plötzlich steht an jedenm Haus / Die Juden und Zigeuner raus


Nur weil kein Mensch derselbe ist / Und weiß und schwarz und gelbe ist

Wird er verbrannt ob Frau ob Mann / Und das fängt schon von klein auf an

Und wenn ihr heute Dreirad fahrt / Ihr Sterblichen noch klein und zart

Es ist doch eure schönste Zeit / voll Phantasie und Kindlichkeit


Lasst keinen kommen der da sagt / Dass ihm dein Spielfreund nicht behagt

Dann stellt euch vor das Türkenkind / dass ihm kein Leids und Tränen sind

Dann nehmt euch alle an die Hand / Und nehmt auch den der nicht erkannt

Dass früh schon in uns allen brennt / Das was man den Faschismus nennt

Nur wenn wir eins sind überall / Dann gibt es keinen neuen Fall

Von Auschwitz bis nach Buchenwald / Und wer's nicht spürt der merkt es bald


Nur wenn wir in uns alle sehn / Besiegen wir das Phänomen

Nur wenn wir alle in uns sind / Fliegt keine Asche mehr im Wind


- Hanns Dieter Hüsch -

- Wir gedenken der Entrechteten, Gequälten und Ermordeten…

der europäischen Juden, der Sinti und Roma, der Zeugen Jehovas, der Millionen verschleppter Slawen, der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, der Homosexuellen, der politischen Gefangenen, der Kranken und Behinderten, all derer, die die nationalsozialistische Ideologie zu Feinden erklärt und verfolgt hatte.


Wir erinnern heute auch an diejenigen, die mutig Widerstand leisteten oder anderen Schutz und Hilfe gewährten und dafür selbst mit ihrem Leben bezahlen mussten.


Nie wieder Faschismus! -



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