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AM WERK AUF DEN GESICHTERN …

Gedichte aus der Ukraine:

Flammen, Stimmen, Hoffnung: Wenn die Lyrik zu sprechen anfängt, zählt jedes Wort. AM WERK AUF DEN GESICHTERN … Am Werk auf den Gesichtern

der europäischen Frauen geht die Schwerkraft

bei den Ukrainerinnen besonders bedachtsam vor:


Dich zeichne ich nicht mit Alter,

auch mit schlaflosen Nächten nicht oder Trauer,

dir präge ich Siegel auf,

wie sie die Heiligen noch beschwiegen haben.


Dir verschreibe ich die Feuchte des nächtlichen Bodens,

über den die Armee zu den eigenen Grenzen zieht.


Wie Papier zerreißbar ist deine Haut und ebenso bleich,

die bläuliche Ader links unterm Auge, schwarz geworden zum Winter –

ist jener schwarze Fluss, der aufwallte zwischen den Nächsten.


Wie Öl sich auf Wasser, legt sich Sprache auf Sein.


Hier läuft ein Soldat zu den Kameraden, hält sein Gedärm mit den Händen,

bricht auf die raue Losung der Seinen erst in die Knie.

Hier steht "Erinnerung", ein Wort – allein wer kennt ihn wirklich,

den Rauch in hohen Säulen und seinen Geruch noch verkohltem Fleisch? Hier wächst durch dich hindurch ein gläserner Baum,

und du verlangst von ihm nur – in die Höhe zu streben.

Doch als der Einschlag das Zwerchfell aufstemmt wie eine Panzerluke,

die Stimmbänder zerreißt und die Kehle zerfetzt,

bleiben nicht Elle und Speiche statt des lebendigen Arms -

dann rafft dein Glasbaum deinen Leib zusammen.


Hier überziehen Salzböden sich mit kristallenen Blüten,

wohl wissend, dass die Sonne wie der Tod schrundige Lippen haben.


Und nicht er sprach damals zu dir, sondern der mittlere der rauen Schmerzen,

das rote Pünktchen im Weiß, ein Vorbote baldigen Blutverlusts.


Spürst du's? Europas blinde Luft befühlt dein neues Gesicht,

bemüht, es zu erkennen. - Kateryna Kalytko -

BILDNUMMER: B0001089

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